Interview mit Hans-Rüdiger Minow


Am 27.01.07 gab es bundesweit Aktionen für die Ausstellung "11.000 Kinder", was ist bisher geschehen und wie soll es weiter gehen - ein Überblick, online bei freie-radios.net, dem Audioportal Freier Radios.

1. Teil: "Nachdem die Ausstellung erfolgreich in Frankreich gezeigt wurde, wollte die Opferorganisation "Fils et Filles des Déportés Juifs de France", FFDJF (Söhne und Töchter der jüdischen Deportierten Frankreichs) diese weiter entlang der Zugstrecke nach Auschwitz zeigen und fragte die Deutsche Bahn AG an.
Diese lehnte es zur Überraschung der Historiker und AusstellungsmacherInnen ab." anhören
2. Teil: "Weshalb die Ausstellung 11.000 Kinder besonders wichtig ist, was sie von einem abstrakten Gedenken an den Holocaust/die Shoa unterscheidet. anhören
3. Teil: "Nachdem die Deutsche Bahn AG sich geweigert hatte die Ausstellung zu zeigen, begannen Proteste für die Ausstellung. Wie reagierte die Bahn auf diese? Im Dezember letzten Jahres machte dann der Bahnvorstand ein Angebot, sie würde selber eine Ausstellung zeigen wollen. Gleichzeitig versucht die Bahn die französichen Historiker zu disqualifizieren und so zu begründen, dass sie eine eigene Ausstellung nur zeigt." anhören
4. Teil: "Das autoritäre Verhalten der Deutsche Bahn AG, die sich sowohl weigert gemeinsam mit dem Historiker Serge Klarsfeld zusammen zu arbeiten, als auch sich weigert, mit den Bürgerinitativen in der BRD gemeinsam eine Ausstellung zu erarbeiten." anhören
5. & 6. Teil: "Nach der gewaltsamen Unterbindung der Proteste für die Ausstellung "11.000 Kinder" durch die Bahn am Holocaust-Gedenktag ist über neue Strategien nach zu denken. Hallenser Bahnchef verlangte "gewaltsame Räumung mit allen Mitteln" 5. Teil   6. Teil

Bericht vom 27.01.07

Gedenken an 11.000 deportierte Kinder auf dem Bahnhof Halle

Wir haben am 27.01.07 ab 14 Uhr eine Theateraktion in Gedenken an 11.000 Kinder, die von Paris nach Auschwitz deportiert wurden, durchgeführt.
Die Theateraktion zeigte die Stationen der Deportationszüge quer durch Deutschland von Saar­brücken über Frankfurt/Main, Weimar, Weißenfels, Leipzig und Dresden nach Auschwitz an Hand von Stationen auf. Die TheateraktivistInnen hatten weiß geschminkte Gesichter und stellten Geister der deportierten und ermordeten Kinder da, während sie sich in der Figur des "unsichtbaren Trainers"* bewegten. Die DarstellerInnen riefen z.B.: "Wenn ihr an die Börse wollt, müsst ihr uns mitnehmen", "Wir waren 500 Kinder in einem Viehwaggon" oder "Es war so kalt".
Da wir die Sprachlosigkeit der Deutschen Bahn AG und ihre rüde geschichtsblinde Ablehnung der Ausstellung "11.000 Kinder - Auf dem Schienennetz der Deutschen Reichsbahn in den Tod" kann­ten, stellten zwei DarstellerInnen Sprecher der Deutschen Bahn da. Sie informierten die Passanten darüber, "dass sie weitergehen sollen und die Theateraktion nicht beachten sollen, da es ja um eine Ausstellung geht, die es schon längst in Nürnberg gibt, dort kostet der Eintritt auch nur 8 Euro und die Fahrt nach Nürnberg gibt es für nur 100 Euro und sowieso ist die Ausstellung ab nächstem Jahr auf 18 Quadratmetern zu sehen."
Auf dem Bahnhofsvorplatz konnten wir ungestört unsere Gedenkaktion durchführen. Als wir in den Bahnhof gingen, um unseren Protest für die Ausstellung "11.000 Kinder" zum Ausdruck zu brin­gen, versuchten sofort Bahnbeamte uns des Bahnhofs zu verweisen. Da wir über 50 Menschen wa­ren und uns auch im Bahnhof in Form des "unsichtbaren Trainers" bewegten, gestaltete sich dies etwas schwierig.
Der Chef des Bahnhofs Halle, der sich uns gegenüber nicht genauer vorstellte, verlangte von der Polizei eine "gewaltsame Räumung mit allen Mitteln". Wir verließen deshalb nach einer Viertelstunde den Bahnhof und ließen dabei 40 Heliumluftballons mit Bahntickets nach Auschwitz steigen. Anschließend machten wir eine Spontandemo durch die Innenstadt. Es wurden insgesamt 2000 Flyer an interessierte PassantInnen verteilt.

In Göttingen wurden Bilder von Kindern, die mit dem Rechtsvorgänger der Deutschen Bahn AG nach Auschwitz deportiert wurden, von Bahnangestellten demoliert, in Berlin wurde Vertretern der jüdischen Gemeinde das Wort auf dem Bahnhof verboten, in Aachen wurde der Bahnhof während einer Gedenkveranstaltung geräumt und in Halle/S. wurde eine "gewaltsame Räumung mit allen Mitteln" von der Polizei verlangt.

Wir verurteilen das Verhalten der Deutschen Bahn am Holocaust-Gedenktag 2007 aufs Schärfste, und ebenso den Brandanschlag in Verden in der Nacht zum 27.01.07 auf einen Güterwaggon, bei dem eine Ausstellung über die Deportation von Juden nach Auschwitz verbrannte.

* Der "unsichtbare Trainer" ist eine Theaterfigur, bei der sich die AktivistInnen gleichmäßig im Raum verteilen und auf ein Zeichen hin in der Körperhaltung eines bestimmten Aktivisten verharren, des "Trainers", der für die Zuschauer unerkannt bleibt.

mehr bilder




Die Weigerung der Bahn
die Ausstellung 11.000 Kinder zu zeigen

Elftausend Kinder....

wurden auf dem deutschen Schienennetz in den Tod geschickt. Sie kamen aus den besetzten Gebieten Frankreichs - Kinder fast sämtlicher Nationalitäten, über 500 allein aus Deutschland, über 100 aus Österreich.

Die NS-Behörden befahlen ihre Deportation.
Der letzte Weg dieser Kinder führte durch die Bahnhöfe vieler deutscher Städte...über die Gleisanlagen bei Saarbrücken, Fulda, Weimar, Halle, Erfurt, Leipzig und Görlitz.

Die Namen der Kinder waren 60 Jahre lang vergessen. Die aus Deutschland kamen, hießen Lilli Wohl, Manfred Ullmann, Steffe Bernheim, Ellen Marxsohn... Nun kehrten sie in Viehwaggons zurück - durch die Bahnhöfe ihrer Heimatstädte auf dem Weg nach Auschwitz.

Von einigen sind Fotos übrig geblieben. Von anderen Briefe, die sie aus den Todeszügen der „Deutschen Reichsbahn“ auf die Gleise warfen.

Wir möchten an diese Kinder erinnern
...mit einer Ausstellung auf den Bahnhöfen ihrer Heimatstädte. Wir möchten den Kindern ihre Gesichter, ihre Würde wiedergeben und damit nachholen, was in Frankreich längst geschehen ist. Dort wurde eine Wanderausstellung über die elftausend Kinder auf 18 Bahnhöfen gezeigt.

Aber die Rechtsnachfolgerin der „Deutschen Reichsbahn“, die Deutsche Bahn AG, weigert sich.

Das milliardenschwere Unternehmen verfüge über kein Geld, um auf den deutschen Reisebahnhöfen an die Kinder zu erinnern, teilt der Vorstandschef der Deutschen Bahn AG mit.

Der Deutschen Bahn AG soll es gelingen, den Reisenden die Geschichte dieser Kinder vorzuenthalten? Die DB AG hat kein Geld, um sich ihrer Verantwortung vor dem Tod dieser Kinder zu stellen?

Der Weigerung des Bahn-Unternehmens setzen wir unser Mitgefühl, aber auch unseren Widerstand entgegen - auf den deutschen Personenbahnhöfen in allen Teilen der Bundesrepublik. Unser Gedenken lässt sich nicht verbieten!

Die Ausstellung

   

Die Ausstellung im Metzer Bahnhof
zur Klarsfeld Foundation

Deutsche Bahn AG verweigert sich der Mitverantwortung für den Holocaust.
Die Gedenkausstellung "11.000 Kinder",
die an die 11.000 von Paris nach Auschwitz deportierten Kinder erinnert,
soll nicht in deutschen Bahnhöfen gezeigt werden.

Unter den 72.000 Menschen, die von Paris nach Auschwitz deportiert wurden, befanden sich 11.000 Kinder. Sie wurden oftmals von ihren Eltern getrennt von Drancy (bei Paris), über Saarbrücken, Homburg, Kaiserslautern, Mannheim, Frankfurt/Main, Fulda und Dresden nach Auschwitz deportiert.

Die französische Organisation "Fils et Filles des Déportés Juifs de France", FFDJF, Söhne und Töchter der jüdischen Deportierten Frankreichs) erinnerte gemeinsam mit der französischen Staatsbahn SNFC mit der Wanderausstellung "11.000 Kinder" in 18 großen Bahnhöfen Frankreichs an die 11.000 Kinder. Sie wurde entlang der Zugstrecke von Paris nach Deutschland gezeigt. Im Pariser Gare du Nord eröffnete der Vorstandsvorsitzende der SNFC, Louis Gallois, die Ausstellung.

Der FFDJF wollte die Ausstellung dann weiter entlang der Zugstrecke nach Auschwitz zeigen. So traf Ende 2004 Beate Klarsfeld, Vertreterin der FFDJF, den Vorstand der Bahn AG und stellte die Ausstellung und das Konzept vor, um sie gemeinsam mit der Bahn zu zeigen.
Während sich der Vorstandschef der französischen Staatsbahn (SNCF) bereits im Juli 2004 zur Verantwortung der SNCF für deren Beteiligung an der Deportation jüdischer Kinder bekannt hatte, übt sich die Deutsche Bahn AG heute noch in Ausflüchten: Es "fehlen" der Deutschen Bahn "sowohl die personellen als auch die finanziellen Ressourcen", um die Ausstellung zu übernehmen. Außerdem würde es dem Gedenken an die Kinder nicht gerecht, wenn die Ausstellung neben einer Currywurstbude gezeigt würde. Weiterhin verlangt die Bahn AG, dass die Ausstellung der FFDJF "inhaltlich" umgearbeitet werden müsse und dann auch nur im Bahnmuseum Nürnberg gezeigt werden solle.

Diese Forderungen sind nicht zu verstehen. Weshalb soll eine Ausstellung, die von den "Söhnen und Töchtern der jüdischen Deportierten Frankreichs" und der Französischen Staatsbahn (SNCF) erstellt wurde, für deutsche Ansprüche umgearbeitet werden? Weshalb soll eine Ausstellung, die so konzipiert wurde, dass sie in Bahnhöfen gezeigt werden kann, in einem Museum stehen und nicht an den authentischen Orten? Hier zeigt sich die Ignoranz der Deutschen Bahn gegenüber ihrer eigenen Geschichte. Die Bahn AG scheint, wie auch Teile der deutschen Öffentlichkeit, zu glauben, dass für das Gedenken die Opfer selbst zuständig seien.

Beate Klarsfeld hofft, dass sich durch eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Verweigerungshaltung der Deutschen Bahn die Ausstellung in Deutschland doch noch realisieren lässt:
"Wer sich (in Deutschland) erinnern will, hat ein Recht, das zu tun. Erinnerung kann man nicht verbieten. Die Bedeutung des Massenverbrechens an den 11.000 ermordeten Kindern darf durch eine Marginalisierung der Ausstellung nicht herabgesetzt werden."

Die deutsche Bahn AG verbot gar am 27.01.05 - am internationalen Gedenktag an die Befreiung von Auschwitz! -, in Bahnhöfen an die 11.000 nach Auschwitz deportierten Kinder zu erinnern. Dieses Gedenken wurde dann in Wuppertal, Frankfurt, Saarbrücken und Leipzig durchgesetzt. Nur im Bahnhof Dresden-Neustadt wollte die Deutsche Bahn das Gedenken gestatten, dort befände sich sowieso schon eine Plakette, die an die nach Auschwitz Deportierten erinnert.

Dieses Verhalten der Deutschen Bahn AG ist nicht hinnehmbar. So haben sich in Saarbrücken, Frankfurt, Freiburg, Weimar, Erfurt, Leipzig und Halle Initiativen gegründet, um die Bahn dazu zu zwingen, ihr Verhalten zu revidieren. Die Deutsche Bahn AG hat ihre Mitverantwortung für den Holocaust anzuerkennen!

Beteiligt Euch an der Initative für die Ausstellung "11.000 Kinder".
c/o Infoladen Halle
Ludwigstr. 37
06110 Halle/S
homepage@ludwigstrasse37.de

Eines der 11.000 Kinder stammte aus Halle

Unter den von Paris nach Auschwitz deportierten Kindern befanden sich auch 520 Kinder von deutschen EmigrantInnen. Keines dieser Kinder überlebte. Unter ihnen war Walter Wartenberg aus Halle. Der 14jährige wurde am 07.08.1942, fünf Tage nach der Deportation seiner Mutter Liselotte Wartenberg, geb. Bacher, von Paris nach Auschwitz verschleppt und ermordet.